Einfach mal in den Seilen hängen
Elmar Müller testet den Familienklettersteig an der Kanzelwand.
„Papa, schau mal Richtung Ifen – morgen ist der perfekte Tag!“ Ich sitze gerade mit unserer Tochter beim Abendessen und drehe mich zum Fenster. „Siehst du - Abendrot!“ „Ja, und was willst du mir damit sagen?“ - „Abendrot – Schönwetterbot – morgen machen wir den Klettersteig an der Kanzelwand!“
Ah, stimmt, diese alte Bauernregel kommt mir bekannt vor. Es ist wirklich herrlich, das Abendrot – dann sollte es morgen ein
wunderbarer Tag werden. Zur Sicherheit schaue ich natürlich kurz auf meinem Smartphone nach - und auch hier: Kleinwalsertal, Sonne, 26 Grad. „Also gut, bist du dir wirklich sicher, dass du den Klettersteig machen möchtest?“ „Ja klar, bei meinem Klettersteig-Schnupperkurs hat der Bergführer gesagt, der Familienklettersteig geht ab acht Jahren und ich bin schließlich 8 Jahre, zwei Monate und 6 Tage alt!“ Tja, da gehen mir wohl die Argumente aus.
Eine gute Stunde später geht es mit der Kanzelwandbahn in die Höhe. Es ist ein wunderschöner Sommertag und schon jetzt, um 9.30 Uhr, ist es sehr warm. An der Bergstation angekommen, machen wir uns mit unseren Rucksäcken auf Richtung Kanzelwand-Gipfel. Gemütliche 20 Minuten später stehen wir am Einstieg zum Familienklettersteig, wo wir auch gleich unsere Ausrüstung anziehen. Ich kontrolliere den Sitz des Gurtes, ob alle Verschlüsse richtig zu sind – dann kommt das Klettersteig-Set. Durch den Schnupperkurs, den die Bergschule Kleinwalsertal übrigens jede Woche anbietet, weiß Emma genau, wie alles eingebunden wird und achtet darauf, dass auch ich alles so mache, wie es Bergführer Samuel ihr vor wenigen Tagen gezeigt hat. Ich habe Glück und mache alles richtig! Dann bekomme ich noch eine Einführung in das Sichern am Seil. „Papa, du hast zwei Karabiner an deinem Set – du musst sie immer entgegengesetzt im Seil einhängen und wichtig ist, dass immer nur ein Karabiner umgehängt wird, während dich der zweite sichert. Nie beide aushängen! Das kann tödlich sein!“ Ich bin echt baff, was sich Emma alles gemerkt hat und zugleich erstaunt, wie ernst sie die Sache mit ihren 8 Jahren, zwei Monate und 7 Tagen nimmt. Respekt!
Doch ich weiß, es kommt noch eine Querung, die uns fordern könnte. Ich lasse mir aber nichts anmerken und so meistert Emma auch diese Stelle mit Bravour und wir kommen nur wenige Meter weiter zum Highlight des Steiges – der großen Seilbrücke! Drei Drahtseile sind ca. 20 Meter über eine kleine Schlucht gespannt. Eines für die Füße, zwei etwas höher, um den Händen Halt zu geben.Ich merke, dass diese Aufgabe Emma einiges an Respekt abverlangt und auch für mich ist es gar nicht so einfach, auf dem Seil das Gleichgewicht zu halten. Völlig professionell meistert Emma auch diese Stelle und fragt doch tatsächlich in der Mitte der Brücke, ob wir nicht ein Selfie machen könnten. „Nein Emma, mir ist grad nicht nach einem Foto, ich bin froh, wenn ich beide Hände am Seil habe.“ Nach der Brücke kann man sich kurz ausruhen, bevor es dann die letzten Meter wieder etwas steiler Richtung Gipfel und zum Ende des Klettersteiges geht. Auf dem kleinen Plateau am Gipfel angekommen grinst Emma wie ein Honigkuchenpferd – „Papa, das war richtig toll! Hast du auch eine Brotzeit eingepackt?“ Ja klar habe ich eine gute Brotzeit im Rucksack! Und diese wird natürlich gleich am Gipfelkreuz verdrückt.
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